exposing the dark side of adoption
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Baby per Mausklick

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Baby per Mausklick

Der Weg zu einer Adoption ist langwierig und schwierig, aber viele Deutsche, die unbedingt ein Kind adoptieren wollen, haben andere Wege gefunden. Illegale.
Von Cathrin Kahlweit


vergrößern Ein Mädchen in einem thailändischen Waisenhaus.
Foto: Reuters

Kalekidan ist zehn Jahre alt; sie kommt aus Afrika, viel mehr ist ihrem Steckbrief im Internet nicht zu entnehmen. Ihre Charaktereigenschaften scheinen erfreulich zu sein: Sie übernehme gern kleinere Arbeiten, sei freundlich und hilfsbereit, heißt es.

Wer sich für eine Adoption des Mädchens interessiert, kann es auf einer US-Webseite seiner persönlichen Liste von Kindern hinzufügen, die in Frage kommen.

Wem das Mädchen schon zu alt ist, tippt auf "neue Suche", schließlich ist die Kleine nur eine von Tausenden, die auf dem - ganz legalen - US-Adoptionsmarkt angeboten wird.

Was in den USA üblich ist, gilt hierzulande als degoutant. Das Kinderhilfswerk Terre des hommes hat vergangene Woche eine Verschärfung der deutschen Gesetzgebung zu Auslandsadoptionen gefordert.


Wer in Deutschland ein Kind annehmen will, muss in der Regel den langwierigen Weg über Landesjugendämter oder staatlich anerkannte Fachstellen gehen; auch Adoptionen von ausländischen Kindern werden so organisiert.

Terre des hommes schätzt allerdings, dass ein Drittel aller ausländischen Kinder, die von ihren neuen Eltern nach Deutschland geholt werden, an den Behörden vorbei im Herkunftsland adoptiert werden.

Einreise nach Deutschland verweigern

Damit müsse Schluss sein, so der Adoptionsexperte Bernd Wacker vom Kinderhilfswerk, die Bundesregierung dürfe solche Legalisierungen von "Selbstbeschaffungsadoptionen" oder "Privatadoptionen" nicht hinnehmen.

Durch die Verweigerung der Einreise nach Deutschland müsse das Signal ausgesendet werden, dass die Umgehung deutscher Gesetze nicht geduldet werde.

Terre des hommes begründet seinen Vorstoß damit, dass die Eignung der Eltern bei Privatadoptionen nicht ausreichend geprüft werden könne und nicht immer klar sei, ob die Kinder von ihren Eltern tatsächlich zur Adoption freigegeben wurden.

All das zu kontrollieren gebietet im Grundsatz auch die Haager Konvention, die Deutschland 2002 ratifiziert hat und in der geregelt ist, dass Adoptionen über eine zentrale Behörde abgewickelt werden müssen. Derzeit berät eine Arbeitsgruppe im Bundesfamilienministerium darüber, ob eine Gesetzesverschärfung notwendig sei, doch bislang sieht es danach nicht aus.

Die Bundesregierung, so ist aus dem Justizministerium zu hören, habe schließlich eine rechtliche Handhabe, um problematische Adoptionen zu verweigern. Das "Gesetz zur freiwilligen Gerichtsbarkeit" (FGG), mit dem Auslands-Adoptionen in Deutschland legalisiert werden, biete durchaus die Möglichkeit, etwa bei Zweifeln an der Herkunft des Kindes Nein zu sagen.

Notleidenden Eltern werden Kinder abgekauft

Adoptionsexperten sehen das freilich anders. Bei Unicef, der Kinderhilfsorganisation der UN, sieht man vor allem die privaten Vermittlungsagenturen, die Kinder und adoptionswillige Eltern zusammenbringen, mit Skepsis. In einer Dokumentation hat Unicef festgestellt, dass bisweilen Kinder vermittelt würden, die ihren notleidenden Eltern regelrecht abgekauft wurden.

Selbst Entführungen und die Fälschung von Papieren sind nicht selten; berüchtigt für die Vermittlung verschleppter Kinder ist unter anderem Guatemala, von wo pro Jahr etwa 2000 Kinder ins Ausland geschickt werden.

Adoption sei immer nur das letzte Mittel, so eine Sprecherin von Unicef Deutschland; für die Masse der Kinder der Dritten Welt könne die Verschickung in den reichen Westen keine Lösung sein.

In Deutschland kamen 2004 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 861 der adoptierten ausländischen Minderjährigen aus dem europäischen Ausland; darunter 255 aus Russland und 70 aus Rumänien, 453 aus Asien, 169 aus Nord- und Südamerika sowie 132 aus Afrika. Etwa 30 Prozent wurden, schätzen Fachleute, privat geregelt.

Der Leiter der zentralen Adoptionsstelle beim Landesjugendamt Bayern, Jörg Reinhardt, findet, es sei ein handfester Skandal, dass sich Deutschland einerseits zu hohen Standards bei der Auswahl von Bewerbern und vermittelnden Organisationen verpflichte, andererseits aber Privatadoption alle Hintertüren öffne. So sieht das auch der Leiter der Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg, Frank Licht. Er will Adoptionen ohne Beteiligung deutscher Fachstellen verbieten lassen.

Kinderlose Paare, die oft Jahre auf ein Kind warten, dürften die Angelegenheit indes anders bewerten. Im Internet finden sich viele Seiten, auf denen verzweifelte Menschen um Rat fragen, wie eine Auslandsadoption funktioniere. Viele haben jahrelang auf natürlichem Weg oder mit künstlicher Befruchtung versucht, ein Baby zu bekommen, später dann über deutsche Ämter. Nun sind sie älter als 40 - und damit in der Regel zu alt.

(SZ vom 10.7.2006)

2006 Jul 10