exposing the dark side of adoption
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In Brasilien illegal geholt und an Eltern in der Schweiz verkauft

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In Brasilien illegal geholt und an Eltern in der Schweiz verkauft

Von Otmar Kauck und Myrte Müller | 16:54 | 27.11.2008
Ein schickes Viertel in Lugano. Ein sauberes Geschwisterpaar. Und ein fünf Tage altes Baby – verschachert wie ein teures Souvenir aus Brasilien.
Nadia B.* (35) will aussehen wie eine Schweizerin. Blond, gepflegt, reich. Sie hat einen Schweizer Pass, ist mit einem 61-jährigen Tessiner verheiratet. Ihr Wohnsitz: Lugano-Pregassona.

Ihr gepflegtes Aussehen ist ihr Kapital. Denn die gebürtige Brasilianerin macht Jagd auf brasilianische Neugeborene. Sie überredet arme schwangere Frauen, ihr Baby zu verkaufen. Es komme in gute Hände, verspricht sie. Ins Paradies Schweiz. Und dafür gebe es viel Geld.

Ein Opfer finden Nadia und ihr Bruder Anderson A.*(32) in Goiânia, 1000 Kilometer nordwestlich von Rio de Janeiro. Eine hochschwangere Frau. Der Ehemann sitzt wegen Raub im Knast. Leichte Beute, denkt die Wahl-Luganeserin. Doch die Schwangere geht zur Polizei.

Nadia B. und Anderson A. ahnen nicht, dass ihre Telefone abgehört werden. «Wir zahlen 4000 Franken», sagt Nadia. Die Frau lehnt ab. Der Preis steigt: 15 000 Franken. Das Kind kommt am 19. November zur Welt. Ein Bub. Fünf Tage später stehen die Geschwister am Krankenhausbett, mit 5000 Franken.

«Wir nehmen dich und den Jungen mit nach Genf», sagen die Kinderhändler. In dem Moment schnappt die Falle zu. Zwei Beamte in Zivil verhaften die Geschwister.

Die brasilianische Polizei geht von einem organisierten Babyhandel aus. Sprecher Giuliano Lima: «Das Kind sollte in der Schweiz zur Adoption kommen.»

Doch das bezweifelt Rolf Widmer von der Schweizer Fachstelle für Adoption: «Es ist unmöglich, in der Schweiz ein brasilianisches Baby zu adoptieren. Denn dazu braucht man die Genehmigung der brasilianischen Behörden.»

Da es in Brasilien aber genug Paare gebe, die kleine Kinder adoptieren wollen, würden grundsätzlich keine Babys mehr für Adoptionen ins Ausland freigegeben, sagt Widmer. «Uns jedenfalls sind keine Fälle bekannt. Wo wollten also die Geschwister mit dem Baby hin?»

Auch die Bundespolizei ist alarmiert. Aus Brasilien heisst es: Manche Mutter, die Nadia in die Schweiz lockt, endet in der Prostitution. Hier oder anderswo in Europa.

Und da ist auch noch der Anruf aus der Schweiz, den die Fahnder mithören. Ein Mann fragt Nadia: «Kommst du mit einem Baby?»

Nadia und ihr Mann Mauro B.* sind seit 16. März 2001 verheiratet. Leben in Lugano. Seit Ende Oktober wohnen sie etwas ausserhalb der Stadt. Kein Namensschild. Nur der Anrufbeantworter läuft. Die Anwohner kennen das Paar nicht.

Vorher wohnten die zwei an einer anderen Adresse. Dort erinnert man sich sehr wohl an die blonde Brasilianerin. «Im vierten Stock ging es zu wie im Taubenschlag. Junge Frauen gingen ein und aus. Zeitweise lebte dort auch ein kleiner Bub», berichtet eine Nachbarin.

Nadia B. reist viel nach Brasilien, ist oft Monate weg. Eine Weile fährt sie ein Auto mit Liechtensteiner Nummern. Ist die Luganeser Adresse Drehscheibe eines internationalen Kinderhandels? Schweizer und brasilianische Polizei ermitteln.

*Namen der Redaktion bekannt

www.blick.ch
2008 Nov 27