Babyhandel: Neue Vorwürfe gegen Verein
Babyhandel: Neue Vorwürfe gegen Verein
Skandal: Spenden erzwungen? Auftritt bei Jauch verschaffte ICCO-Gründerin Popularitätsschub. Frau Hofer wegen Mißhandlung eines Kindes bereits verurteilt.
Die Affäre um den Hamburger Adoptionsverein ICCO (International Child's Care Organisation), gegen den die Staatsanwaltschaft seit Mai 2005 wegen Menschenhandel und Untreue ermittelt, weitet sich aus: Dem Abendblatt liegen Aussagen von Adoptiveltern vor, die über ICCO Kinder aus dem Ausland bekommen haben. Kurz vor der Übergabe seien die Eltern von ICCO plötzlich zu Spenden von mehreren Tausend Euro, angeblich für Heime im Ausland, aufgefordert worden. Für dieses Geld hätten sie nie Quittungen bekommen.
Geld für Informationsseminare für adoptionswillige Paare, (pro Person 176 Euro) sollen nach Abendblatt-Informationen nicht auf das Vereinskonto, sondern auf das Privatkonto der Vereinsgründerin Eva Maria Hofer (51) gegangen sein. ICCO hatte behauptet, mehr als eine halbe Million Euro für Projekte in der Dritten Welt gespendet zu haben - doch hier fehlen für einen Großteil die Quittungen. Spielt auch Schwarzgeld eine Rolle?
In den Vereinsräumen, rund 200 Quadratmeter in bester Lage am Neuen Wall, stellte die Kriminalpolizei weiteres belastendes Material sicher: Ermittler fanden dort "Preislisten" für Kinder aus Rußland. Je jünger das Kind, desto mehr sollten die adoptionswilligen Paare bezahlen. Ein Kind bis zu drei Jahren sollte mehr als 12 000 Euro kosten, ältere Kinder waren für rund 8000 Euro "zu haben". In Rußland soll laut Staatsantwaltschaft ICCO einen Zwischenhändler von der US-Agentur Amrex eingeschaltet haben, um die Kinder nach Deutschland zu holen. Das ist verboten.
Bei ICCO drehte sich lange alles um Eva Maria Hofer. Ihr Aufstieg begann Ende der 90er-Jahre nach einem Auftritt in der RTL-Sendung "stern TV". Sie war als Gast bei Günther Jauch, weil sie damals elf Kinder aus der Dritten Welt adoptiert hatte - Afrika, Ostasien, Südamerika. Hunderte von Paaren wollten danach wissen, wie sie ein Kind aus dem Ausland adoptieren können. Hofer, gelernte Einzelhandelskauffrau, nutzte die Popularität, um Ende 1997 den Verein ICCO zu gründen.
Hofer war noch zwei weitere Male bei RTL. Im September 2004 trat sie auf bei "Punkt 12: Der Sonntagstalk aus Monza". Sie kritisierte die Vermittlung eines russischen Adoptivkindes an das damalige Kanzler-Ehepaar Schröder. Bei seiner Biographie und seinem Alter, wäre Schröder ein normaler Bürger, so Hofer, "hätte das Jugendamt nicht genehmigt sondern schallend gelacht". Doch gerade Hofer wird jetzt auch vorgeworfen, Kinder an eigentlich zu alte Eltern vermittelt zu haben. Das bestätigte eine ehemalige Mitarbeiterin von ICCO, und Hofer selbst gibt es auch zu: "Potenzielle Adoptiveltern wurden vom Jugendamt abgelehnt, weil sie zu alt waren. Wir haben ihnen trotzdem Kinder vermittelt", sagte sie gestern. Zudem habe sie noch Forderungen an den Verein, von dessen Vorstand sie Ende 2005 zurückgetreten war: "In den ersten Jahren habe ich alles vorgeschossen, das Geld will ich zurück."
Hofer fühlt sich als Opfer. Sie gibt zu, einen Strafbefehl über 9000 Euro erhalten zu haben, weil sie eine Adoptivtochter mißhandelt haben soll. Die Tochter habe gegenüber der Polizei falsch ausgesagt, weil sie von Hofer erwischt worden sei, wie sie Geld gestohlen habe. Den Behörden wirft sie eine Kampagne vor: "Die Vorwürfe sind Lügen. Gegen mich wird ein persönlicher Krieg geführt." Ihr größter Gegner: Rolf Bach, Leiter der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle, der zentralen Behörde für Adoptionen in Hamburg. Bach: "Frau Hofer soll in ihrem eigenen Schmutztümpel baden." Weiter: "Bei der Staatsanwaltschaft liegen zehn Aktenordner voller Anschuldigungen gegen den Verein, und das ist noch lange nicht alles."
kj, vltg, dizerschienen am 6. Juli 2006